Geschichte
Alumni – Verein Ehemaliger der Kantonsschule Frauenfeld
Autor: Andreas Raas (Gründungsmitglied)
Da hatten sich also am 19. Juni 1954 in der Kantine der Kaserne Frauenfeld etwa 70 Personen eingefunden, um einen Verein Ehemaliger der Kantonsschule zu gründen. Der jüngste Teilnehmer war ich (A. Raas).
Meine Hoffnung, an diesem Anlass einige Kollegen zu treffen, zerschlug sich: alle Teilnehmenden, vorwiegend Männer, waren gefühlte 10-60 Jahre älter als ich. Der vom Rektorat vorgelegte Statuten-Entwurf provozierte zahlreiche, zeitweise erregten Voten zu jedem Detail und brachte natürlich keine Stimmung. Einzig beim Jahresbeitrag erwachte das allgemeine Interesse.
Es ging um 2-4 Franken. Ein Antrag auf 5 Franken war schon vorher abgeschmettert worden mit der originellen Begründung: ”Nicht alle Ehemaligen sind Zahnärzte!”
Also einigte man sich auf 3 Franken. Somit war der Verein gegründet.
Als Präsident wurde Heinrich Tanner, Kantonsoberförster des Kantons St. Gallen gewählt, eine vielseitige, charismatische Persönlichkeit. Leider starb er 1962.
Ebenso wichtig war die Wahl des Bernina-Buchhalters Arthur Chilante, der neben der Kassenführung mit unwahrscheinlichem Einsatz die Adressen betreuen würde.
Ein Jahr vorher (1953) war das Jubiläum ”Hundert Jahre Thurgauische Kantonsschule” gefeiert worden. Scharen von Ehemaligen hatten die Räume der Schule. die Festmeile und die Gaststätten der Stadt geflutet, Begeisterung war überall. Das Gefühl des Zusammengehörens ermöglichte unerwartete Begegnungen und Freundschaften.
Neben der Festbegeisterung vermittelte die Festschrift von Ernst Leisi einen Pool von Adressen aller Absolventen von Gymnasium (921), Oberrealschule (905) und Diplommittelschule (533).
(Eigentlich hätte noch eine weitere Kategorie von Schülern erwähnt werden müssen, nämlich die Knaben der Sekundarschule Frauenfeld, welche bis 1963 die ursprüngliche ”Industrie-Abteilung” der Kantonsschule besuchten, während die Mädchen in der Mädchen-Sekundarschule unterrichtet wurden. Auch diese Schüler waren stolz auf ihren Status als Kantonsschüler.)
Diese Angaben bildeten das Rohmaterial, auf dem Arthur Chilante seine Adressenkartei aufbaute: etwa 150 Klassen-Dossiers, fein säuberlich mit Schreibmaschine erstellt, mit genügend Raum für künftige Mutationen.
Und jährlich kamen 3-5 weitere Klassen dazu. Arthur stellte sich vor, in jeder Klasse eine verantwortliche Person zu finden, die den Kontakt zum Verein sichern würde. Es blieb ein unerfüllter Wunsch.
Der neu entstandene Verein explodierte bereits im ersten Jahr seines Bestehens. Das Mitgliederverzeichnis vom 4. März 1955 publizierte Namen, Adressen und Klassenzugehörigkeit von rund 740 Ehemaligen. Diese Zahl wuchs noch, da die amtierenden 25 Kantonsschullehrer und ihre pensionierten Kollegen als Freimitglieder aufgeführt wurden. Im April erwähnte der Präsident 802 Mitglieder.
Der Mitgliederbestand wies starke Schwankungen auf. Die letzte gedruckte Liste, publiziert am 1. Januar 1983, enthielt 579 Adressen, fast die Hälfte davon aus Handels- und Töchterschule.
Neben der vollständigen Liste der Vereinsmitglieder führte Arthur die Liste sämtlicher Kantonsschul-Absolventen/innen, die auch der Schule stets zur Verfügung stand. Als letzter seiner Nachfolger übernahm Hansueli Guhl diese Aufgabe mit bemerkenswertem Einsatz, bis zum Debakel von 2009.
Denkwürdige Anlässe aus der Sicht des Vereins
- 1968, 1. August: Einweihung der Doppelturnhalle mit 46 Vereinsmitgliedern, als ”Wiedersehensfest mit Ball” ausgeschrieben. 125 Neu-Mitglieder geworben. Trotz Protests eines Vereinsmitglieds wird Dr. Alphons Müller zum Präsidenten gewählt. Er übernimmt das Amt aus Pflichtgefühl. ist jedoch gesundheitlich geschwächt. Er führt einige Vorstandssitzungen durch.
- Am 1. April 1977 lädt er zu seiner ersten Jahresversammlung ein, entschuldigt sich für den ”Winterschlaf” und tritt als Präsident zurück. Als Vorstandsmitglied erlebt man in den inaktiven 9 Jahren erstaunlich wenige Reklamationen.
- 31. März 1978: Dr. Paul Hui als neuer Präsident führt den Verein zurück in die normale Tätigkeit.
- 10. Mai 1978 Jubiläum ”125 Jahre Kantonsschule”: Kunstausstellung von 8 ehemaligen Kantonsschülern und 3 ehemaligen Kantonsschülerinnen im und beim Schulgebäude Mit einem Jubiläumsfonds von 50'000 Fr. werden etliche Werke für die Kunstsammlung der Schule angekauft. Der Verein beteiligt sich mit 6000 Fr.
Die Vereinsmitglieder erhalten den Jahresbericht der Kantonsschule, worin das Jubiläum festgehalten wird. - 1984 unter Präsident Paul Hui: grosser Erfolg des Ehemaligen-Treffens in der Kartause Ittingen, über 500 Teilnehmende, 160 Neu-Mitglieder.
- 1988, 17. September: letztes Treffen unter Paul Hui, grosser Aufwand, eher schwacher Besuch.
- 1989, 30. Juni: Abschluss des ”Langschuljahrs”, Umstellung auf den Herbstschulbeginn, Tag der offenen Tür, schwache Beteiligung der Ehemaligen
- 1990, 17. Januar: Der Verein beteiligt sich mit Fr. 5-7000 an den Werbekosten für den Bau der zweiten Schulanlage.
- 1993, 19. November: ”Neubau-Fest” unter Präsident Marcus Bauer, guter Besuch. Letztmalige Erwähnung verstorbener Vereinsmitglieder im Mitteilungsblatt: 41 Namen, von Arthur Chilante registriert.
- 1995, 3. Dezember: Ein Beitrag von Fr. 10'000 an das Aktionskomitee für die Kantonsschule Kreuzlingen wird genehmigt. (1990 war die Vorlage für den Ausbau der Kantonsschule Frauenfeld von den Ehemaligen der Schulen Kreuzlingen und Romanshorn mit je Fr. 5000 unterstützt worden.) Jahresbeitrag von 5 auf 10 Fr. angehoben.
- 1999, 28. Juni: unter Präsident Thomas Engeli: Abschied vom Konvikt nach 146 Jahren, gleichzeitig Wiedersehensfest der Ehemaligen mit guter Beteiligung.
- 2003, 26. September: Thomas Engeli leitet das grosse Wiedersehensfest als Abschluss der 3-tägigen Feier ”150 Jahre Kantonsschule Frauenfeld”; über 100 Neueintritte. Geschenk der Ehemaligen an die Schule: der Brunnen mit Waschbassin bei der neuen Dreifachturnhalle.
- 2003 letztes Mitteilungsblatt des Vereins, ab 2000 Kanti-Bulletin für alle Vereinsmitglieder (von Daniel Jung eingeführt), später reduziert.
- 2009, 15. Mai: ”Das Fest der Begegnung” unter dem Präsidium von Daniel Jung. Von den rund 7000 angeschriebenen Adressen ist mehr als die Hälfte nicht zustellbar. Beteiligung von höchstens 300 Ehemaligen. Verlauf des Festes planmässig und harmonisch. Selbstkritisch ist zu bemerken, dass von der Schule her kein besonderer Anlass bestand, es war ein Fest des Vorstandes. Ausserdem begann das Treffen am Freitagabend um 17.30 Uhr mit der Jahresversammlung und dauerte mit der Prämierungsfeier der Matura-Arbeiten und musikalischen Darbietungen bis Mitternacht. Vielleicht war vielen Ehemaligen der Nachtanlass unsympathisch.
- 2011, 10. September: ”100 Jahre Hauptgebäude”: hochstehende Darbietungen der Schülerschaft, sonniger Nachmittag auf dem Kiesplatz, an der Jahresversammlung 47 Mitglieder.
- Nach dieser Zeit wird die Frage weiterer Wiedersehensfeste im Vorstand kaum noch angeschnitten. Verschiedene andere Aktivitäten vermögen diese jedoch nicht zu ersetzen.
Zum Kontakt zwischen Schule und Verein
An der Jahresversammlung 2013 tritt Thomas Engeli als Vertreter der Schule aus dem Vorstand zurück, ein echter Verlust. Er wird abgelöst von Dr. Markus Müller, der jedoch schon 2017 zurücktritt.
Der initiative Andreas Bischoff übernimmt das Kassieramt und erstellt die Homepage. Seine Verdienste sind unbestritten, aber sein Schwerpunkt liegt nicht in der Verbindung zur Kantonsschule.
Zur gegenwärtigen Situation
Nach verschiedenen Rücktritten ist der Vorstand auf 5 Personen geschrumpft, drei davon als Vertretung von Concordia, Thurgovia und Licornia (historische Reihenfolge).
In den 5 Jahren zwischen 2017 und 2022 ist die Mitgliederzahl von 605 auf 404 gesunken. Die Covid-Restriktionen haben – wie bei vielen Vereinen — zum Schwund beigetragen.
Die Schule hat sich verändert, in der Grösse, in der Diversifizierung und in der Frequenz der Neuerungen. Das eindrückliche Referat von Rektorin Chantal Roth am 3. Dezember 2022 hat die Spannweite der modernen Ansprüche aufgezeigt; von der Bildungswissenschaft, neuen Berufsfeldern und der Politik bis zur Erdbebensicherheit.
Eine undefinierte, aber spürbare unité de doctrine war lediglich im ersten Jahrhundert der Kantonsschule noch vorhanden.
Verändert hat sich auch das Verhalten der Ehemaligen.
Frühere Selbstverständlichkeiten und Anhänglichkeiten sind verschwunden.
Die Kernfragen des Alumni-Beitritts waren wohl stets dieselben: Was bringt er der Schule und was bringt er mir?
Was brachte er der Schule? Finanzielle Unterstützung: Bau des Skihauses in Wildhaus 1955 für 158'000; willkommene Beiträge an Abstimmungs-kampagnen der drei Kantonsschulen in der Höhe von etwa 30'000 Franken, Einzelbeiträge an Maturareisen u.a., Betreuung von Asylsuchenden, Examenweggen, Beiträge an Schlussakte, Adressauskünfte.
Alles historisch interessant, aber aus heutiger Sicht von geringer Bedeutung.
Was brachte der Beitritt dem Mitglied? Eine Broschüre mit Nachrichten aus der Schule, zuerst jährlich, später in Abständen, 2003 aufgegeben. Dazu die Einladung zu den wichtigsten Anlässen.
Was ursprünglich den Charakter eines Privilegs hatte, ist heute durch Anklicken der Homepage jedem Internetnutzer zugänglich. Diese an sich erfreuliche Entwicklung reduziert die Exklusivität der Vereinsmitgliedschaft.
Die Kantonsschule ist bestrebt, die Verbindung zu den Austretenden zu halten, indem sie bei der Ablösung vom Schulserver die neue Internetadresse notiert. Für die Einladung zu Veranstaltungen ist sie nicht mehr auf die Mitarbeit der Alumni angewiesen.
Der übervorsichtige Verzicht auf den periodischen Druck der Mitgliederliste hat die Möglichkeit von Kontakten unter den Alumni praktisch aufgehoben.
Durch den Auftritt der Rektorin an der Jahresversammlung und die Aussprache vom 16. August 2023 hat die Schulleitung ein bestimmtes Interesse an der Existenz der Alumni signalisiert, ausserdem die Bereitschaft, den für die Öffentlichkeitsarbeit zuständigen Prorektor in den Vereinsvorstand zu delegieren.
9545 Wängi, 27. August 2023 / A. Raas